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Das blutende Herz

 
News / Büchergilde Okt. 2006

 

Zur äußeren Not kommt die zwischenmenschliche Armut. Obdachlose, Flüchtlinge, Straßenkinder weltweit

Von Simone Wessely (November 2006)

Die Büchergilde Gutenberg, Frankfurt und Heidelberg, lud am 21. Oktober 2006 Vertreter der Heidelberger Religionsgemeinschaften und sozialer Initiativen zur Diskussion über Obdachlosigkeit ein. Ort der Begegnung war der Wilhelmsplatz in der Weststadt. Den Anlass zu der Veranstaltung gab das kürzlich erschienene Buch von Hartwig Weber „Das blutende Herz“ über die Religion kolumbianischer Straßenkinder.

„Die zwischenmenschliche Armut ist das Hauptproblem in Deutschland, weniger die materielle Armut“, betonte Matthias Meder, Mitarbeiter des Katholischen Vereins für soziale Dienste (SKM), in seiner Stellungnahme zur Situation obdachloser Menschen in Heidelberg. So mache ihnen die Ablehnung und Ausgrenzung, die sie tagtäglich erfahren, am meisten zu schaffen. Pfarrer Christof Heimpel von der Sankt Bonifatius Kirche appellierte daher an das Publikum, „den Menschen als Menschen anzusehen und nicht als Störfaktor in unserer schönen Stadt“.

Der ehemals obdachlose und heroinabhängige Joe Lewis hat deshalb den Verein H.O.P.E. gegründet. Jeden Dienstagabend bereitet er in Räumen des SKM gemeinsam mit weiteren ehrenamtlichen Helfern Heidelberger Obdachlosen einen freundlichen Empfang und gibt Gelegenheit zum Gespräch über alles, was auf der Seele lastet. Der Raum sei als Zuflucht gedacht und die Gespräche vertraulich, versicherte Joe Lewis.

Über die Situation der Straßenkinder in Kolumbien sprach der Theologieprofessor und Buchautor Hartwig Weber gemeinsam mit der Studentin Therese Ache und der kolumbianischen Stipendiatin der Landesstiftung Baden-Württemberg, Ángela Uribe, die gerade ein Studienjahr an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg absolviert. Hartwig Weber befasst sich seit vielen Jahren intensiv mit den problematischen Lebenssituationen kolumbianischer Straßenbewohner. Er ist Projektleiter der deutsch-kolumbianischen Bildungsinitiative Patio13, die im Jahr 2000 von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ins Leben gerufen wurde. Im Projekt kooperieren deutsche und kolumbianische Hochschulen und Universitäten mit dem Ziel, Bildungskonzepte zu entwickeln, die sich an den Bedürfnissen von Kindern in schwierigen Lebenslagen orientieren. Das Leben der Straßenbewohner in Kolumbien unterscheide sich wesentlich vom dem deutscher Obdachloser, erklärte Weber. Neben der Hoffnungslosigkeit, die sich auf deutschen wie kolumbianischen Straßen breit mache, seien die kolumbianischen Straßenbewohner aus den Slums der Metropolen Gewalt und aussichtsloser Armut ausgesetzt. Das bestätigten auch die angehenden Lehrerinnen Therese und Ángela. Beide haben Straßenkinder aus den Slums der kolumbianischen Millionenstadt Medellín im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet. Sie berichteten sehr eindrücklich und mit großer Begeisterung von ihren Erfahrungen und den besonderen Fähigkeiten, die die Arbeit mit Kindern in schwierigen Lebenslagen Lehrern abverlangt.

Als neues Produkt seiner Forschungen in Kolumbien stellte Hartwig Weber das Buch „Das blutende Herz. Religion der Straße“ vor. Darin beschreibt er, welche Bedeutung Religion für Straßenkinder hat, und wie sie ihren Glauben praktizieren. Wie Weber sagte, spielt der praktische Nutzen von Religion eine große Rolle für die Straßenbewohner. „Religion müsste, wenn es sie nicht gäbe, erfunden werden.“

Den etwa 150 Besuchern bot die Buchhandlung der Büchergilde Gutenberg, Heidelberg, über zwei Stunden ein unterhaltsames und informatives Programm. Die Veranstaltung eröffneten der Heidelberger Kulturamtsleiter Hans-Martin Mumm und Prof. Michael Austermann, Rektor der PH Heidelberg. Rektor Austermann betonte in seinem Grußwort die Bedeutung von Patio13, das als innovatives pädagogisches Projekt der internationalen Ausrichtung der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Substanz verleihe. Er hob hervor, dass seine Hochschule zusammen mit den Universitäten Heidelberg und Freiburg den internationalen Masterstudiengang Straßenkinderpädagogik einführen werde. „Trotz mancher Schwierigkeiten und Mühen ist dieser Prozess unaufhaltsam.“ Musikalische Highlights setzten Holly Holleber, der Raper Florian Schöber und die Jazzband des Hölderlin Gymnasiums Flip Fantasia. Initiativen wie das Nicaragua Forum und das Mannheimer Straßenkinderprojekt Freezone informierten an ihren Ständen über ihre Arbeit.

Den besonderen Reiz der Veranstaltung machte nicht zuletzt die gemischtkonfessionelle Gesprächsrunde mit hiesigen Würdenträgern der christlichen Kirchen und der islamischen Gemeinde aus. Die Leitung der jüdischen Gemeinde ließ – wegen des Sabbats – ein Grußwort verlesen. Anders als im tagespolitischen Geschehen, waren sich an diesem Nachmittag auf dem Heidelberger Wilhelmsplatz die Repräsentanten der Weltreligionen einig: Geld kann nicht jede Not lindern. Manchmal ist es menschliche Wärme, Anteilnahme oder auch nur ein freundliches Wort, das einen verzweifelten Menschen dazu befähigt, Mut zu fassen und einen ersten zaghaften Schritt aus dem Elend zu wagen.