DAS PROJEKT PATIO 13
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Das Projekt Patio 13 / Das Projekt in der Presse / 2003

 

Das Projekt in der Presse

Übersicht

2003
- Rhein-Neckar-Zeitung , 21. November 2003: "Mit der Kamera durch die Slums von Medellín"

- Die Rheinpfalz , 31. Oktober 2003: "Blick aus dem Elend - Kolumbianische Straßenkinder zeigen ihre Welt mit selbst fotografierten Szenen"

- Hessische Allgemeine (HNA) , 27. September 2003: "Zu Gast in Kassel: Hartwig Weber"

- "Büchergilde" : "Faszinierende Kinder, die eine ungeheure Vitalität haben!" Interview mit Hartwig Weber über sein Fotoprojekt mit Straßenkindern und soziale Missstände in Kolumbien

- "Haushalt und Bildung" , 80 (2003), Heft 1, S. 54ff.: "Patio 13" - Biographie und Erfahrung in ihrer Bedeutung für eine Didaktik und Methodik der Straßenkinderarbeit

- "Die Rheinpfalz" , 27. Januar 2003 : Straßenkinder und ihre Blicke auf sich selbst - Die Heidelberger Ausstellung „Auslöser“

- "Mannheimer Morgen" , 21. Januar 2003: Straßenkinder sehen ihren Alltag durch den Sucher - Foto-Ausstellung in der Heidelberger Print Media Academy stellt pädagogisches Projekt vor

- "Rhein-Neckar-Zeitung" , 21. Januar 2003: Jede Narbe erzählt vom Kampf ums Überleben – Ausstellung „Auslöser“ in der Print Media Academy dokumentiert Straßenkinder-Projekt der PH in Kolumbien – Morgen ist Vernissage

 

Rhein-Neckar-Zeitung, 21. November 2003: "Mit der Kamera durch die Slums von Medellín"

Professor Hartwig Weber gibt Straßenkindern in Kolumbien eine Zukunft durch Bildung - Sein Buch „Narben auf meiner Haut" erzählt davon

Von Ingeborg Salomon

Auf den Straßen der südamerikanischen Millionenstädte leben viele Kinder und Jugendliche in ständiger Todesgefahr. Medellin in Kolumbien ist so eine Stadt, wo das Leben der Straßenkinder geprägt ist von Armut und dem Kampf ums tägliche Überleben, von Prostitution und Bandenkämpfen, aber auch von Hoffnungen und Sehnsüchten. Zugang zu diesen Kindern zu finden ist nicht leicht, zu groß ist oft ihr Miss
trauen. Hartwig Weber, promovierter Theologe und seit 1977 Professor an der Pädagogischen Hochschule, ist es gelungen, in der Welt dieser Kinder ein Stück mitzuleben.
Gemeinsam mit Sor Sara Sierra Jaramillo, einer kolumbianischen Ordensschwester, hat er vor drei Jahren das Projekt „Patio 13 - eine Schule für Straßenkinder" gestartet, finanziell unterstützt von den Heidelberger Druckmaschinen. Dabei wurden die Kinder gebeten, über sich selbst und ihr Leben zu berichten und mit einer Einwegkameras Fotos zu machen, die in einer viel beachteten Ausstellung bereits in der Print Media Academy gezeigt wurden (die RNZ berichtete). Jetzt ist daraus ein wunderschönes und sehr eindrucksvolles Buch entstanden. „Narben auf meiner Haut" ist gerade in der Edition Büchergilde und gleichzeitig bei der Büchergilde Gutenberg erschienen.

„Authentischer als schriftliche Berichte vermögen Fotos eine unmittelbare Vorstellung über die Welt anderer Menschen zu vermitteln", schreibt Professor Weber in seinem Buch. Was haben die Straßenkinder Medellins fotografiert? Sich selbst natürlich, doch wer nun Fotos von elenden, traurigen Gestalten erwartet, sieht sich überrascht. Ihre Fotos zeugen nicht von Selbstmitleid, sie wollen kein Mitgefühl erwecken und sind auch kein moralischer Appell. Es sind seltsam,zurückhaltende Fotos, die den Betrachter darum umso stärker berühren. Alle Bilder sind nicht bearbeitet oder geschnitten, die Ausschnitte sind so geblieben, wie die jungen Fotografen sie gewählt haben. Gerade deshalb ziehen sie den Betrachter ins Bild hinein.

Da ist zum Beispiel Marcela, die mit bauchfreiem Top und chicer Sonnenbrille in einer Mauernische posiert; verführerisch lächelt sie, Madonna lässt grüßen. „Als wir Marcela fragten, ob sie mit ihren Fotos an unserer Ausstellung ein halbes Jahr später teilnehmen wolle, war sie erst völlig verständnislos", berichtet Professor Weber. Ein halbes Jahr im
Voraus zu denken, überforderte sie, und die Situation in Kolumbien sollte ihr Recht geben. Wenig später forderten die Todesschwadrone im Zuge einer „sozialen Säuberung" die Straßenkinder auf, die Stadt zu verlassen; auch Marcela musste fliehen.

„Kolumbien ist gefährlich, das sagen wir auch allen Studenten, die in unserem Projekt ein Praktikum machen wollen", weiß Weber, der selbst Mitte der 70er Jahre am Erziehungsministerium in Bogota als Leiter eines Bildungsprojekts arbeitete. Regelmäßig fliegt er nach Kolumbien, um das Schulprojekt für Straßenkinder weiter auszubauen. „Bildung ist für diese Kinder der Schlüssel zur Zukunft", so der Pädagoge. Damit die Straßenkinder den Anschluss an die modernen Medien nicht verpassen, richtet das Projekt gerade einen Computerraum ein.
Nächstes Jahr soll in Medellin ein Kurs für Lehrer, Studierende und pädagogische Fachkräfte beginnen, der sich speziell mit der Straßenkinder-Thematik beschäftigt, auch ein Magister-Studiengang ist geplant, alles mit kräftiger Unterstützung der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Eine Studierende, Bettina Ehrlich, hat gerade vor Ort ihre Zulassungsarbeit über das Projekt geschrieben.

Obwohl Weber im Laufe seines Berufslebens schon über ein Dutzend Bücher geschrieben hat, ist sein jüngstes Werk etwas ganz besonderes für ihn. „Es ist wirklich wunderschön geworden und liebevoll ediert", freut er sich. Auf der Bestseller-Liste der Büchergilde Gutenberg steht „Narben auf meiner Haut" bereits auf Platz vier, eine spanische Ausgabe ist gerade in Vorbereitung, ebenso eine italienische.

 

Die Rheinpfalz, 31. Oktober 2003: "Blick aus dem Elend - Kolumbianische Straßenkinder zeigen ihre Welt mit selbst fotografierten Szenen"

Von unserer Redakteurin Tatjana Stegmann

Gewalt, Verbrechen, Drogen, Prostitution - tausendfach mit mitleidsvollem Auge von außen betrachteter Alltag von Straßenkindern überall auf der Welt. Ein menschlicher, doch sehr verstellter, da voreingenommener Blick auf das Elend verlorener Existenzen in den Gossen von Großstädten und Metropolen. Sie selbst ernst zu nehmen, sie zu bitten, ihr Leben aus ihrer eigenen Sicht zu zeigen, ist ein sehr ungewöhnlicher, sehr mutiger Ansatz, den der aus Neustadt stammende und an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg lehrende Professor Hartwig Weber gewagt hat.

Innerhalb seines Projektes „Patio 13 - Schule für Straßenkinder", bei dem in Zusammenarbeit zwischen kolumbianischen und Heidelberger Studenten Methoden entwickelt werden sollen, Unterricht für Straßenkinder anzubieten, startete er gemeinsam mit Studentinnen und Studenten in Medellin jenes Fotoprojekt: Die angehenden Lehrer verteilten unter Kindern der Straße rund 100 Einwegkameras.

Die Ergebnisse waren derart überwältigend, derart beeindruckend in ihrer schlichten Ehrlichkeit, in ihrer besonderen Aussage, dass Weber und seine Mitstreiterin Sor Sara Sierra Jaramillo (Direktorin der beteiligten kolumbianischen Schule für Lehrerausbildung „Escuela normal Superion Maria Auxiliadora") sie in einem eben in der Edition Büchergilde erschienenen Buch veröffentlichten. Die farbigen, teilweise grellen Fotos voller Leben, kontrastierend mit viel Schwarz in dem Buch, fangen den ersten Blick des Lesers ein: Das Cover zeigt einen vielleicht achtjährigen Jungen, der in selbstbewusster Pose eine Kamera vors Auge hält. Sein aufgeblähter Bauch zeugt von Mangelernährung, die Narben darauf von unvorstellbarer Gewalt gegenüber Kindern. „Narben auf meiner Haut - Straßenkinder fotografieren sich selbst" ist denn auch der Titel des mit feinem Gespür und einfühlsamer, doch nicht auf die Tränendrüsen der Leser gerichteter Sprache verfassten Buches.

Die Narben sind es auch, die oft ersten Anlass geben, miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn auf sie angesprochen, so die Erfahrung der Studenten, überwinden die Straßenkinder leichter ihr Misstrauen und ihre Angst gegenüber Fremden. Anhand ihrer Verletzungen definieren sie sich, können anschaulich machen, was sie in ihrem kurzen Leben bereits er- und überlebt haben, zeigen ihren unerschütterlichen Willen, mit all ihren Fähigkeiten, mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen den nächsten Tag zu erleben - nicht in Selbstmitleid zerfließend, sondern voller Hoffnung und manchmal sogar voller Ausgelassenheit. Das Gespräch über die Narben lehrte die Pädagogen sehr viel über die Einstellungen und Wünsche der Straßenkinder - unabdingbare Voraussetzung, um ein pädagogisch sinnvolles Konzept speziell für sie zu entwickeln.

Die Kontaktaufnahme zu Menschen, die in einer ganz anderen Wirklichkeit leben als sie selbst, forderte auch die jungen Studenten, die zuvor niemals mit ähnlich erbärmlichen Verhältnissen konfrontiert worden waren, in ungeheurem Maße heraus und führte unter den Studenten zu vielen Diskussionen.

Trotz allen Elends, das sich im Hintergrund der 9o Bilder widerspiegelt, zeigen die Fotos vor allem eines: den Willen der Kinder, sich so würdevoll als möglich zu zeigen. Sie lenken nicht den Blick auf ihre vielleicht ausweglos wirkende Situation, sondern auf sich selbst, auf die kleinen Menschen.

Ein Bildband, der unter die Haut geht.

 

Hessische Allgemeine (HNA), 27. September 2003: "Zu Gast in Kassel: Hartwig Weber"

Kolumbien gilt als das klassische Land der Straßenkinder. Umso wichtiger ist es, dass es Menschen gibt, die helfen. Hartwig Weber gehört zu diesen Menschen. Der Professor für evangelische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Heidelberg entdeckte bereits in den 70er-Jahren seine Liebe für Südamerika und widmete seitdem einen Großteil seiner Arbeit den Menschen in den Slums von Kolumbien.
Im Jahr 2001 rief er das Projekt ,,Patio 13" ins Leben, das einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation der kolumbianischen Straßenkinder leistet. Dabei steht jedoch nicht die Versorgung der Kinder mit Lebensmitteln oder Kleidung im Vordergrund. Vielmehr sollen die Kinder Bildung erhalten, die ihnen hilft, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und auf längere Sicht etwas in ihrem Leben zu erreichen. Um die Idee einer ,,Schule auf der Straße" zu verwirklichen, initiierte Hartwig Weber ein Austauschprojekt, an dem sich die Universität Heidelberg und Universitäten in Kolumbien beteiligen. Deutsche Lehramts-Studenten können für mehrere Monate im Rahmen eines Praktikums in den Straßen von Kolumbien direkt mit betroffenen Kindern arbeiten und theoretisches Wissen mit praktischen Erfahrungen verbinden. Jetzt war Prof. Dr. Hartwig Weber zu Besuch im Kasseler Ludwig-Noll-Krankenhaus, um sein Projekt vorzustellen und eine Foto-Ausstellung zu eröffnen, die auf beeindruckende Weise die Situation der kolumbianischen Straßenkinder zeigt. Die Kinder fotografierten sich selbst in ihrer täglichen Umgebung und geben dem Betrachter einen Einblick in ihre eigene Welt. Begleitend zur Ausstellung ist ein Buch mit dem Titel ,,Narben auf meiner Haut" (Edition Büchergilde, Frankfurt) erschienen, das Fotos und Interviews mit den Kindern enthält.
Prof. Dr. Hartwig Weber hat mit ,,Patio 13" einen Weg gefunden, den Straßenkindern Hoffnung zu machen: ,,Ein Projekt wie dieses ist wichtig, um den Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen und die Probleme der Dritten Welt den Menschen bewusster zu machen." TEXT UND FOTO: PAMELA SOMMER

Ausstellung noch bis zum 29. Oktober im Ludwig-Noll-Krankenhaus, Dennhauser Strafle 156, montags bis frei-tags von 16-18, samstags und sonntags von 15-18 Uhr.

Büchergilde: "Faszinierende Kinder, die eine ungeheure Vitalität haben!" Interview mit Hartwig Weber über sein Fotoprojekt mit Straßenkindern und soziale Missstände in Kolumbien

Worum geht es in Ihrem Buch "Narben auf meiner Haut"?

Das Buch soll Menschen, die offen sind für Probleme, die die ganze Welt betreffen, mit dem Thema Straßenkinder konfrontieren. Dieses Thema ist für mich gewissermaßen ein "Abholthema". Es schließt die Menschen auf - emotional, persönlich, weil alle Menschen Kinder haben oder einmal Kind waren. Plötzlich stehen sie der Tatsache gegenüber, dass Kinder in einer anderen Situation, in einer anderen Welt völlig anders leben müssen. Dass sie zwar die gleichen Interessen und Wünsche haben, aber ganz andere Lebensbedingungen. Wenn man das weiß, möchte man natürlich wissen, was da noch los ist, wie es kommt, dass Kinder unter diesen Bedingungen leben, und was die Gründe dafür sind. Das heißt: Wenn wir erreichen können, dass sich Menschen hier mit der Situation dort auseinandersetzen, dass kann man davon ausgehen, dass sie auch von den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen das eine oder andere wissen wollen. Deshalb führt das Buch über das Thema Straßenkinder hinaus auch in globalere Fragestellungen und Probleme ein.

Können Sie etwas zu Ihrer Co-Autorin sagen?

Sor Sara Jaramillo ist Nonne und Direktorin einer Lehrerbildungseinrichtung, der Escuela Normal Superior in Copacabana, und sie ist gleichzeitig Direktorin aller Lehrerbildungseinrichtungen, aller "Normales" in Kolumbien.
Mit ihr und über sie versuchen wir zu erreichen, dass in die Lehrerbildung das Thema Straßenkinder-Pädagogik eingeführt wird. Es gibt viele Projekte, viele Ansätze, viele Programme, die sich mit Straßenkindern beschäftigen - alle karitativ. Unser Ansatz aber ist pädagogisch, weil wir glauben, dass diese Straßenkinder nicht nur durch Essen, Kleidung und Gesundheitsfürsorge am Leben erhalten werden müssen, sondern sie sollen auch ein bessere, menschenwürdigere, offenere Zukunft haben, und das gelingt nur durch Bildung.

Ihr Engagement in Kolumbien begann ja schon viel früher?

Ich war in den Siebzigerjahren im Erziehungsministerium Kolumbiens tätig für die Reform der Lehrerausbildung. Ich habe damals, außerhalb meiner Arbeit, in Slums gearbeitet und bin schließlich viel später auch auf das Problem der Straßenkinder gestoßen. Als ich aus Kolumbien zurückkam und hier eine Professur angenommen habe, lag es nahe, das Thema weiter zu behandeln. Meine Studenten waren sehr interessiert, und eines Tages haben sie zu mir gesagt: "Warum reden wir immer nur theoretisch über die Probleme in Kolumbien, fahren wir doch hin und machen was!" Daraus ist am Ende das "Projekt Patio 13" mit dem Buch "Narben auf meiner Haut" entstanden.
Ein Patio ist ein Ort, wo die Kinder hingehen können, nachdem sie die Nacht auf der Strasse verbracht haben. Dort können sie sich ausschlafen, können sich waschen, bekommen etwas zu essen, können spielen, können reden, können ihre Wunden ausheilen lassen, die sie sich in der Nacht zugezogen haben.

Wie kommt es zu dem Titel Narben auf meiner Haut?

Das Sprechen über die Narben, die sie auf der Haut haben, drängt sich eigentlich auf. Erstens haben alle Straßenkinder Narben, diese Narben etwas ganz Typisches für sie und drücken aus, dass sie permanent einer enormen Gewalt ausgesetzt sind. Zweitens: Sie erzählen sehr gerne, wo sie sich diese Narben zugezogen haben, und wenn man ihr Vertrauen gewonnen hat, dann braucht man ihnen eigentlich nur zuhören und erfährt dann sehr viel über ihre äußeren und inneren Narben und damit über ihr Leben, ihre Einstellungen, ihre Wünsche.

Warum wählten Sie die Fotografie für Ihr Projekt?

Man kann den Kindern nicht die eigenen Vorstellungen überstülpen, sondern muss sie erst kennen lernen, muss verstehen lernen, was sie wollen und was sie brauchen. Mit den Fotoapparaten konnten wir sie einfacher fragen: "Sagt ihr mal, wer ihr seid, wie empfindet ihr euch, und welche Perspektiven habt ihr?" Darüber hinaus hat das Fotografieren gegenüber dem bloßen Reden den Vorteil, dass man viel schneller viel mehr zeigen und ausdrücken kann. Gerade für Kinder, die nicht so eloquent sind und manchmal nicht schreiben können. Es ist eine einfachere, emotionalere und umfassendere Art, sich auszudrücken.
Wir haben 100 Einwegkameras an die Straßenkinder ausgeteilt und gesagt, sie sollen uns doch Bilder bringen. Allerdings dachten wir, sie würden sie nie zurückbringen, würden sie verhökern an der nächsten Ecke, aber das war falsch. Erstaunlicherweise haben wir etwa 80 % der Kameras wieder bekommen.


Waren sie überrascht, welche Motive sie bekommen haben?

Ja! Ich glaube, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen dem, was Straßenkinder, die sich selbst zeigen wollen, fotografieren, und dem, was wir aufnehmen würden. Unsere Art zu fotografieren ist sehr an Vorurteilen orientiert. Straßenkinder hingegen wählen Situationen, die für sie schön sind, geordnet sind, die zeigen, was sie können. Sie sind meist sehr fröhlich. Sie zeigen sich nie mit Drogen, sie zeigen nicht den Dreck, sie zeigen ihre cambuches , ihren Behausungen aus Stoff, aus Pappe und Blech, und sie zeigen, wie schön sie sie eingerichtet haben. Sie zeigen nicht, was schief geht, sondern was ihnen gelingt.

Einige Kinder liegen Ihnen besonders am Herzen?

Ja, das ist unumgänglich. Im Laufe der Zeit kommt man sich nahe. Das spiegelt sich auch in dem Buch. Die abgebildeten Fotos zeigen u.a. zwei junge Frauen: Marcela (24) und Erika (15). Marcela war, als das Projekt begann, mein erster Kontakt auf der Straße, und sie ist bis heute dabei geblieben. Von ihr und Erika hört der Leser da mal etwas, dort mal etwas, und auf diese Art und Weise kann er sich mit zwei ausgewählten Personen näher identifizieren.

Sie haben bei ihrem letzten Besuch in Kolumbien versucht, Marcela wieder zu finden?

Zurzeit ist sie im Gefängnis. Das Buch endet damit, dass ich vergeblich nach ihr suche. Zu dem Zeitpunkt, im März dieses Jahres, habe ich geglaubt, sie seit tot, weil wir an allen möglichen Stellen ohne Erfolg nach ihr gesucht haben. Zuvor hatten wir erreicht, dass sie von einem Straßenkinderprojekt in Bucaramanga aufgenommen werden würde. Es ist sehr schwer, jemanden, der über 20 Jahre alt ist, in einem Projekt unterzubringen, noch dazu eine Frau mit zwei Kindern. Aber wir hatten es geschafft. Kurz darauf war sie trotzdem weg, wie vom Erdboden verschluckt. Dann musste ich abreisen. Als ich einige Wochen hier war, kam die Nachricht, sie sei wieder aufgetaucht, und man habe sie in einem Programm für Straßenkinder untergebracht. Aber dann hat sie Konflikte bekommen, hat rebelliert und sich schließlich erneut aus dem Staub gemacht. Sie hat es nicht ausgehalten – das ist symptomatisch für viele Straßenbewohner. Kurz darauf wurde sie beim Verkauf von Drogen festgenommen und kam ins Gefängnis.

In Ihrem Buch schreiben Sie, Straßenkinder hätten ganz erstaunliche mathematische Fähigkeiten?

Man stellt oft fest, dass diese Kids große Begabungen haben, dass sie intelligent und künstlerisch begabt sind – wie andere Kinder auch. In unserem Projekt machen wir auch kleinere Forschungen. Wir versuchen zunächst herauszufinden, was die Eigenarten der einzelnen Kinder sind, was ihre Überlebensstrategien und Techniken. Dabei stellen wir fest, dass sie eine eigene Art zu lernen haben und eine eigene Art zu rechnen. Kinder in der Schule rechnen anders und bekommen Mathematik auf eine andere Art beigebracht. Straßenkinder vollziehen eigene mathematische Operationen, und im Vergleich stellt man fest, dass sie besser und schneller rechnen. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass das Rechnen davon motiviert ist, ihr Überleben zu sichern, was ja bei Kindern in der Schule weniger der Fall ist.

Sie haben mittlerweile auch eine Druckerwerkstatt eingerichtet. Welche Idee steckt dahinter?

Um Dinge zu fördern, haben wir zweierlei eingerichtet: Erstens eine Druckerwerkstatt. Das ist ganz neu, ist jetzt im August erst angelaufen. Die Straßenkinder lernen dort, ihren Namen, den Namen ihrer Freundin oder wichtige Botschaften mit beweglichen Lettern zu drucken. Einer hat zum Beispiel ein Liebesgedicht für seine Freundin gedruckt. Zweitens: Wir treffen zurzeit Vorbereitungen für die Einrichtung eines Computerraumes, damit Straßenkinder die Möglichkeit haben, wie Kinder überall auf der Welt, im Internet zu surfen.

Kann man die Verhältnisse dort auch auf Deutschland übertragen?

Ja und nein. Man kann ja sagen, dass das Phänomen Straßenkinder früher eine Art Symbol war für arme Entwicklungsländer, für die Dritte Welt. Das hat sich in den letzten Jahren gründlich geändert, nachdem es Straßenkinder in vielen industrialisierten Ländern, sogar in Deutschland, gibt. Damit hatten wir nie gerechnet. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Straßenkindern in Deutschland und Straßenkindern in Kolumbien, aber auch Gemeinsamkeiten. Auf jeden Fall gibt es die Notwendigkeit, sich auch hier damit auseinanderzusetzen. Vielleicht kann man in Deutschland von den Erfahrungen in einem Land wie Kolumbien auch profitieren, weil es dort dieses Phänomen schon seit dreihundert Jahren gibt: Es wird seit langer Zeit beobachtet, und es gibt viele Programme und Erfahrungen, wie man mit Straßenkindern umgehen kann.

Politische Verhältnisse in Kolumbien, Bürgerkrieg, Drogenkartelle, Perspektive für die Zukunft?

Es gibt einen neuen Präsidenten, und viele Kolumbianer verbinden mit Alvaro Uribe eine große Hoffnung. Er ist so etwas wie eine letzte Hoffnung, auch für viele Intellektuelle und sogar Linke. Zunächst ist von Verbesserung noch sehr wenig zu spüren, es gibt fast wöchentlich neue Massaker und Konflikte mit der Guerilla. Auf der anderen Seite bessert sich die Situation auf dem Land. Bevor Uribe sein Amt angetreten hat, konnte man nicht aus den Städten herausfahren, weil die Situation so gefährlich war und man damit rechnen musste, dass man angehalten und entführt wurde. Uribe hat in spektakulären Aktionen die Straßen wieder sicher gemacht. Solche kleinen Fortschritte gibt es.

Wen wollen Sie mit Ihrem Buch erreichen?

Ich will mit den verschiedenen Materialien Bewusstseins-Veränderungsprozesse einleiten und den Leuten sagen: "Ihr lebt hier in Frankfurt oder in Heidelberg nicht im Zentrum der Welt, die Welt ist größer, die Verflechtungen sind profunder und unsere Verantwortung für Situationen, die nicht so gut sind wie hier bei uns, die ist gegeben." Heute redet man viel weniger über die Dritte Welt. Es ist, als wären die Probleme der sogenannten Dritten Welt gelöst, als wären die Wirtschaftsbeziehungen nicht genauso ungerecht wie früher. Darauf, auch wenn das Thema derzeit keine Konjunktur hat, permanent hinzuweisen, ist wichtig. Und es gelingt schon, den einen oder anderen Zeitgenossen anzustoßen, wachzurütteln und zu informieren.

Was können wir von den Kindern lernen?

Es sind faszinierende Kinder, die eine ungeheure Vitalität haben. Die Lebensumstände sind denkbar misslich, gefährlich und menschenunwürdig. Die Kinder aber lachen, sind fröhlich und haben eine ungeheuer lebendige Zukunftshoffnung. Das ist schon erstaunlich. Sie haben eine große Kraft und Kreativität und Vitalität. Man kann sehr vieles von ihnen lernen. Und überhaupt: Kolumbianer sind wunderbare und anregende Menschen.

Sie lieben offenbar das Land Kolumbien?

Das ist so eine Sache, wissen Sie. Man redet stundenlang über Elend, Not und Armut, aber das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte - das ist die Schönheit dieses Landes, die kulturelle Vielfalt, die vielen attraktiven Seiten. Wenn ich mit meinen Studenten nach Kolumbien gehe, dann müssen die auch ans Meer zum Baden fahren, müssen auch kolumbianisch essen und müssen auch Abende mit Tanz und Musik erleben. Das gehört mit zur Realität des Lebens in Kolumbien. Das Land ist sehr ambivalent, aber man kann nicht nur im Elend waten und dann denken, man hätte schon irgendetwas verstanden.

(Das Gespräch führte Jürgen Sander)

„Patio 13“ - Biographie und Erfahrung
in ihrer Bedeutung für eine Didaktik und Methodik der Straßenkinderarbeit.
Interview mit Prof. Dr. Hartwig Weber, Heidelberg

Die besonderen Bedingungen und Entwicklungen von Straßenkindern sind Anlass und Ausgangspunkt des vorgestellten Projektes „Patio 13“. In einem Interview wird der Leiter des Projektes, Dr. Hartwig Weber, Professor für Evangelische Theologie an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, zu Hintergründen der von ihm mit initiierten „Straßenkinderpädagogik“ gefragt. Das Interview mit Prof. Dr. Hartwig Weber (HW) wurde geführt von Prof. Dr. Barbara Methfessel (BM).
BM: Herr Weber, Sie setzen sich in Ihrem Projekt für besondere Maßnahmen zur Bildung von Straßenkindern ein. Bevor wir darauf eingehen, wie man die spezifische Biographie von Straßenkindern berücksichtigen kann, möchte ich gerne wissen, was es denn an typischen biographischen Mustern gibt, die die Entwicklung von Straßenkindern prägen.
HW: Es gibt so eine Art „Straßenkinder-Modellkarriere“, die man in den Entwicklungsländern entdecken kann, wenn man eine gewisse Anzahl von Straßenkinderbiographien miteinander vergleicht: Im Hintergrund steht immer die Familiengeschichte. Meist kommen die Familien der Kinder, die auf der Straße landen, aus ländlichen Regionen. Von dort hat man sie vertrieben, nachdem sie, unschuldig und wehrlos, in die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Guerilla und paramilitärischen Gruppen, Heer und Mafia geraten waren. Nun legen sie in verschiedenen Etappen eine beschwerliche Wanderschaft zurück, die irgendwann einmal - nach wenigen Tagen, langen Monaten oder gar erst nach Jahren - irgendwo in einer Stadt endet: in der Hoffnung, dass sie dort ein neues Leben beginnen können. Tatsächlich finden die Vertriebenen eine Unterkunft oder Bleibe bestenfalls in den Slums, die ohnedies schon überquellen von Flüchtlingen. Dort in den Elendsvierteln der großen Städte erleben die „campesinos“ (Bauern) einen regelrechten Kulturschock. Meist finden die Männer keine Arbeit. Die aussichtslose Situation erzeugt Frustration und Aggression. Viele Väter resignieren unter der übergroßen Belastung, sie greifen zum Alkohol, misshandeln Frauen und Kinder, machen sich schließlich aus dem Staub. Die Kinder leiden unter den Verhältnissen am meisten. Die verlassenen Frauen suchen sich neue Männer, Partner, Ernährer, meist mit wenig Erfolg. Die Kinder erleiden unterschiedlichste Formen der Gewalt, auch sexueller Gewalt; offenbar werden sehr häufig die Mädchen von ihren Stiefvätern bzw. wechselnden Liebhabern der Mütter missbraucht. Man schickt die Kinder auf die Straße, damit sie mithelfen, ihre Familien zu unterhalten. Gewalt und Ausbeutung bewegen sie schließlich dazu, sich immer weiter von ihren Familien zu entfernen. Sie übernehmen Gelegenheitsarbeiten, betteln, stehlen. Mit der Zeit merken sie, dass es leichter für sie ist, ganz auf der Straße zu bleiben. Der Kontakt mit den Eltern bricht dann meist ab.
BM: Wie können denn Kinder alleine auf der Straße überleben?
HW: Allein auf sich gestellt, schaffen sie das nicht. Sie suchen Anschluss an andere Kinder und Jugendliche, an „eine „gallada“ (Gruppe). Es ist oft nicht leicht, in eine Gruppe hinein zu kommen. Jungen müssen zeigen, dass sie etwas leisten – dass sie erfolgreich betteln oder stehlen können. Mädchen werden mitunter in einer Art Initiationsritus kollektiv vergewaltigt; dann finden sie, wenn sie Glück haben, einen Beschützer, dem sie zu Diensten sind. Die Gruppe gewährt ihnen Unterstützung, Hilfe, soziale Wärme. Sie gehen freundlich miteinander um, teilen, was sie bekommen. Aber im Drogenrausch fallen sie auch unvermittelt übereinander her. So gut wie alle Straßenkinder nehmen Drogen, insbesondere schnüffeln sie „pegante“ (Kleber) oder rauchen „basuco“ (Abfallprodukt bei der Kokainherstellung). Das hilft, die Kälte der Nacht, den Hunger und die Angst zu überstehen. Je älter Straßenkinder werden, umso mehr entwickeln sie sich in eine kriminelle Richtung. Um die über Achtzehnjährigen kümmert sich so gut wie niemand. Sie werden abgeschrieben. Meist leben Straßenkinder nicht lange. Ihre einzige Chance besteht darin, in eines der zahlreichen Hilfsprogramme hinein zu kommen und dieses erfolgreich zu absolvieren. Das ist ein langer, mühsamer und oft erfolgloser Weg.
BM: Das hört sich deprimierend an. Wenn ich dann an eine ‚Schule für Straßenkinder' denke, frage ich, kann Schule diese Kinder denn überhaupt noch erreichen? Haben die überhaupt noch ein Interesse an Schule, wenn sie sich eigentlich in diesem Leben auf der Straße eigentlich schon eingerichtet haben?
HW: Das Leben auf der Straße ist nicht nur deprimierend. Für die Kinder bedeutet, von zu Hause weggehen, auch einen Akt des Aufbegehrens und der Befreiung - die Straße lockt. Dort herrschen Freiheit, dauernder Wechsel, pulsierendes Leben. Darüber kann man die tatsächliche Bedrohung und Gewalt durchaus manchmal vergessen.
Mit der Schule wollen Straßenkinder meist nichts zu tun haben. Sie haben dort schlechte Erfahrungen gemacht. Zunächst brauchen sie eine unmittelbar praktische Hilfe: Essen, Kleider, einen Platz, um auszuschlafen, medizinische Versorgung, wenn sie krank werden, unter ein Auto geraten sind, einen Messerstich abbekommen haben.
BM: Und wie kann man diese Kinder für so etwas wie Schule gewinnen?
HW: Sie wollen zwar keine herkömmliche Schule, aber sie wollen Lernen. Denn sie merken, dass davon ihre Zukunft abhängt. Die Frage für uns lautet deshalb: Wie kann man sie dabei unterstützen? Wie müsste Lernen, wie Pädagogik, Erziehung, „Schule“ aussehen, um bei ihnen und für sie etwas Sinnvolles auszurichten? Denn eines ist gewiss: Bildung kann ihnen zwar keine bessere Zukunft garantieren, aber ohne sie werden sie garantiert keine Chance haben, einen Beruf und ein Auskommen zu finden.
In diesem Zusammenhang muss ich darauf hinweisen, dass es in Kolumbien seit einiger Zeit einen neuen Typ von Straßenkind gibt. Der unterscheidet sich vom traditionellen „gamin“ (wie man dort sagt) fundamental. Der eskalierte Bürgerkrieg, der inzwischen über 2 Millionen Kolumbianer in die Flucht getrieben hat, spült immer mehr Kinder und Jugendliche auf die Straße. Die Kinder waren für kürzere oder längere Zeit bereits in der Schule gewesen, und sie können unterschiedlich gut lesen und schreiben; die Ausbildung mussten sie abbrechen. Diese Kinder sind noch nicht so stark kriminalisiert, gewalttätig und drogenkrank wie die normalen „gamines“. Ihnen muss rasch geholfen werden. Denn sie passen sich schnell ans Leben der anderen Kinder auf der Straße an. Mit verhältnismäßig wenig Einsatz und Mitteln lässt sich viel bei ihnen erreichen. Je länger es aber dauert, bis für sie etwas getan wird, umso schwieriger wird es.
BM: Welches Verhältnis zum Lernen hat denn diese neue Generation von Straßenkindern?
HW: In ihrem kurzen Leben haben die Flüchtlingskinder und Jugendlichen sehr unterschiedliche, oft tragische Erfahrungen gemacht. Sie haben gelernt, wie man sich durchschlägt. Sie sind oft überaus stark und kreativ. Aufs Lernen angesprochen, zeigen sie durchweg großes Interesse. Das Problem besteht weniger in ihrem Willen zu lernen als darin, dass es keine Schule gibt, die ihnen entspricht. Eine Schule für Straßenkinder müsste ihre besonderen Erfahrungen, Fähigkeiten, Interessen und Defizite berücksichtigen. Das birgt natürlich viele Probleme in sich. Wie soll man Lernen organisieren, wenn die Schüler ganz unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen, unregelmäßig kommen, heute hier, morgen dort sind, in mancher Hinsicht langsamer, in anderer viel schneller als „normale“ Kinder voran kommen?
BM: Haben Sie dafür schon Antworten gefunden?
HW: Man muss die besondere Potenz der Kinder und Jugendlichen erkennen und darauf aufbauen. Konkret ausgedrückt: Im Rahmen dessen, was für sie notwendig ist, sind Straßenkinder hervorragende Rechner. Wir haben dies überprüft und festgestellt, dass sie mathematische Aufgaben schneller und besser lösen als gleichaltrige Schulkinder. Dabei wenden sie interessanterweise andere Methoden an als die, die in der Schule gelehrt werden. Für die Studentinnen, die an unserem Projekt „Patio 13“ beteiligt sind, war dies eine erstaunliche Erkenntnis: Die erfolgreichen mathematischen Strategien der Straßenkinder stellen die mathematische Didaktik und Methodik in Frage, die in der Lehrerausbildung vermittelt und in der Schule praktiziert wird. Wenn wir nun also Lernprozesse in Mathematik für Straßenkinder anstoßen, knüpfen wir an die Inhalte und Methoden an, die auf der Straße praktiziert werden.
Vergleichbares gilt fürs Lesenlernen. Straßenkinder können unterschiedlich gut lesen, viele sind Analphabeten; aber auch sie erkennen Hinweisschilder auf der Straße und Symbole der Reklame. Von dem aus, was sie im praktischen Leben lesen möchten, können Lernprozesse ausgehen.
BM: . Wir kennen die Problematik des Lesenlernens zum Beispiel auch von Immigranten bei uns. Sie kennen natürlich Markennamen und damit Wortbilder - und raten. Diese Fähigkeit verhindert, dass sie jemals richtiges Lesen lernen. Es fehlt das sinnentnehmende Lesen und analytisch-synthetische Verstehen.
HW: Also, ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet und kann nur sagen, dass wir in dieser Sache auf die durchaus analytische Methode der Druckwerkstatt setzen: In dem Patio (Treffpunkt), wo wir eine Gruppe von Straßenkindern regelmäßig treffen, bauen wir eine solche Werkstatt auf und arbeiten mit beweglichen Lettern. Dabei gehen wir davon aus, dass die Beteiligten Begriffe und kleine Texte schreiben und lesen lernen, die für ihre Lebenssituationen von grundlegender Bedeutung sind. Dieses Vorhaben beginnt Anfang nächsten Jahres. Bis dahin werden auch einfache Lesehefte produziert, die sich für unsere Straßenschüler eignen.
BM: Es geht also darum, Grundlagen zu schaffen und diese dann zu erweitern mit neuen Methoden, die an die Erfahrungen der Straßenkinder anknüpfen?
HW: Ja. Außer Lesen, Schreiben und Mathematik erscheint mir ein Lernstoff wichtig, den es in der normalen Schule so eigentlich überhaupt nicht gibt, jedenfalls ist er nicht so deutlich abgegrenzt: eine Materie, die wir auf Spanisch als „concientización“ („Bewusstseinsbildung“) bezeichnen: Dabei geht es um ein Wissen um die eigene Lebensgeschichte, ein Bewusstwerden der eigenen Erfahrungen und Leistungen, das zu einem stabileren Selbstbewusstsein führen soll. Das hat für mich durchaus eine humanistische, philosophische, womöglich auch religiöse Dimension.
Als praktische Methode wie auch als Forschungsstrategie haben wir dafür ein einfaches und plausibles Vorgehen entwickelt: die Verbalisierung der Erfahrungen des Körpers. Wir haben gemerkt, dass Straßenkinder sehr gerne über ihre Narben sprechen. Sie zeigen ihre Haut, deuten mit dem Finger auf ihre Narben: „Schau mal, was ich da habe!“ Und daran schließen sich Berichte, Erzählungen und Gespräche an, die um zurückliegende Erfahrungen, Abenteuer, Notlagen, Heldentaten und überstandene Bedrohungen kreisen. Die Narben auf der Haut sind eine geheimnisvolle Schrift, die nur die Kinder selbst lesen können. Der Körper als Chronologie des Lebens wird zum Inhalt und Gegenstand der Betrachtung und Darstellung. Dabei stellt sich ein gemeinsames Erstaunen ein über das, was diese Kinder geleistet haben – Grund genug, darauf stolz zu sein. Auf der Basis dieses Stolzes kann dann die Frage nach der Zukunft gestellt werden: „Was will ich eigentlich?“ „Was muss ich in der Gesellschaft lernen und leisten?“ „Wie soll es weitergehen?“ Das, was alle Straßenkinder wollen, ist, die Lebensqualität zu verbessern. Sie wollen auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, es geht ihnen um mehr Teilhabe. Aber dies setzt eben Lernen voraus.
BM: Aber dieses Gespräch über die Narben - das heißt doch für die Lehrkräfte, dass sie fast eine therapeutische Ausbildung brauchen. Selbstbewusstsein zu schaffen, als Voraussetzung für weitere pädagogische Maßnahmen wäre ein therapeutischer Schritt, oder?
HW: Ein einfaches Gespräch mit Kindern über das, was sie erlebt haben, kann in gewisser Weise bereits einen Hauch von Therapie haben. Ob der, der sich auf ein solches Gespräch einlässt, dies weiß oder nicht, ist dabei ziemlich belanglos. Dass ein Kind von der Straße einmal frei erzählen darf und dass jemand da ist, der ihm zuhört, ist eine außergewöhnliche Erfahrung. Wer wendet sich diesen Kindern schon zu? Sie sind von Zuhause weggelaufen, weil dort niemand für sie gesorgt hat oder sorgen konnte. Sie wurden geschlagen, sind angeschrieen worden; aber niemand hat mit ihnen gesprochen. Und jetzt hören sie plötzlich: „Also das, was du da erzählst und was du erlebt hast, das ist ja wirklich bemerkenswert! Wie hast du diese Gefahr und jene Bedrohung nur überlebt?!“ Die Tatsache allein, dass jemand mit dem jungen Straßenbewohner zusammensitzt, ihm zuhört, mit ihm spricht, mag schon einen kleinen heilenden Effekt haben.
Ich will ja nicht in Abrede stellen, dass eine zumindest rudimentäre psychologische Ausbildung von Nutzen ist, wenn man mit Straßenkindern zu tun hat. Lehrer haben diese Kenntnisse durchaus. Dies ist meine Utopie: Lehrer und Studenten, die einmal Lehrer werden wollen, sollen für die Straßenkinderarbeit gewonnen werden. Denn das psychologische, didaktische und methodische Know how für die Straßenkinderarbeit ist an Schulen, Pädagogischen Hochschulen und in den Erziehungswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten durchaus vorhanden. Nur gibt es bisher keine Brücke zwischen der Schule und der Straße, der Pädagogischen Hochschule und den Straßenkindern. Diese Brücke herzustellen, ist das Ziel unseres Projektes „Patio 13“. Eigentlich sollte diese Aufgabe nicht allzu schwer zu realisieren sein. Sie ist bisher einfach noch nicht ernsthaft in den Blick gefasst worden.
BM: Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es doch schon Straßenpädagogen in Kolumbien mit beachtlichen Fähigkeiten und Konzeptionen?
HW: Jede Woche gehen Studentinnen, die in der Escuela Normal Superior „María Auxiliadora“ in Copacabana (Kolumbien) zu Lehrerinnen ausgebildet werden, zwei Mal in einen Patio und treffen dort Straßenkinder, mit denen sie spielen, Gespräche führen, lesen, schreiben und naturwissenschaftliche Aufgaben lösen. Der Leiter dieses Straßenkindertreffs hat als Kind selbst einmal auf der Straße gelebt. Heute hilft ihm die eigene Erfahrung, einen Zugang zu Straßenkindern zu finden. Ich sehe, dass er seine Sache besonders gut macht. Auch in anderen Straßenkinderprojekten, die ich kenne, gibt es jungen Leute, die das Programm, in dem sie jetzt arbeiten, zunächst einmal selbst durchlaufen haben – als ehemalige Straßenbewohner. Die eigene Biografie kommt ihnen jetzt bei der Erziehung von Straßenkindern zu gute.

BM: Die Pädagogik-Studentinnen des Projekts „Patio 13“ kommen ja wohl aus einem ganz anderen sozialen Milieu. Ist es da nicht eine ungeheure Herausforderung für sie, mit solchen Kindern umzugehen?
HW: Die Studentinnen, die mit uns arbeiten, kommen meist aus bescheidenen, ja oft armen Verhältnissen. Mit Straßenkindern waren sie aber früher nie in Kontakt gekommen. Ernsthaft haben sie sich mit diesem Problem nie auseinandergesetzt. Es ist ja in Kolumbien nicht üblich, sich um Straßenkinder zu kümmern, wenn man in bürgerlichen Verhältnissen lebt und ein sicheres Auskommen hat. Anfangs waren die Mädchen ziemlich besorgt, sie hatten Angst vor den schmutzigen, aggressiven Straßenbewohnern. Inzwischen hat sich das gründlich geändert. Wenn sie die Kids treffen, begrüßen sie sich mit Gelächter und Umarmungen. Bleiben die Studentinnen einmal aus, so ist die Enttäuschung groß. „Was ist denn los?“ „Wann kommen die denn wieder?“ Die Studentinnen haben, wie sie selbst versichern und in ihren Projekttagebüchern auch deutlich ausführen, wichtige, neue, ja persönlich umwälzende Erfahrungen gemacht. Vermutlich sind diese Erfahrungen auch für ihre sonstige pädagogische Ausbildung, Didaktik, Methodik und Praxis wichtig. Sie werden fähiger, ihren üblichen Schulalltag zu hinterfragen, zu verändern und zu verbessern. Die normale Schule und der konventionelle Unterricht werden von der Straßenkinderpädagogik und -didaktik bereichert.
BM: Hier schließt sich für mich natürlich auch direkt die Frage an, ob für uns in Deutschland etwas aus diesen Erfahrungen zu lernen ist. Es sind ja auch Studierende, Dozentinnen und Dozenten der Pädagogischen Hochschule Heidelberg in das Projekt involviert.
HW: Das Projekt „Patio 13“ ist gleichzeitig auf Kolumbien und auf Deutschland hin orientiert. Wir, die wir an der Hochschule lehren, und unsere Studentinnen und Studenten erfahren dort in unabweisbarer Klarheit, dass wir, zumindest statistisch gesehen, in Deutschland und erst recht in Heidelberg keineswegs im Mittelpunkt der Welt leben. Viel mehr Menschen als wir müssen Verhältnisse verkraften, die denen in Kolumbien ähnlich sind. Studenten und Studentinnen der Pädagogischen Hochschule Heidelberg gehen in Stellvertretung ihrer zukünftigen Schüler in ein Entwicklungsland. Nach ihrer Rückkehr werden sie vermutlich andere Lehrer werden, als wenn sie zu Hause geblieben wären. Das ist eine große Chance für sie und für ihre Schüler.
Darüber hinaus werden in dem Projekt „Patio 13“ Medien, Lernmaterialien und Unterrichtsvorschläge entwickelt, die Lehrern in Deutschland helfen können, ihren Unterricht über diese wichtige Thematik besser und interessanter zu gestalten. Selbstverständlich ist auch unsere Arbeit als Lehrende der Hochschule von diesem Engagement geprägt. Wir bieten Seminare, Vorlesungen und Praktika zum Thema Straßenkinder an. Studentinnen und Studenten schreiben Wissenschaftliche Hausarbeiten darüber, werten die Praktika aus, die sie in Kolumbien durchgeführt haben, und die ersten beginnen bereits mit Promotionsvorhaben im Rahmen des Projektes.
BM: Ich danke Ihnen für das Gespräch.

 

"Die Rheinpfalz" , 27. Januar 2003 :
Straßenkinder und ihre Blicke auf sich selbst - Die Heidelberger Ausstellung „Auslöser“

Von unserem Redaktionsmitglied Sonja Weiher

Große unsicher blickende Augen, trotzig empor gestreckte Mittelfinger, eng aneinandergeschmiegte Körper unter Wolldecken am Straßenrand – die Fotos der Ausstellung „Auslöser – Straßenkinder fotografieren Straßenkinder“, die derzeit im Foyer der Print Media Academy der Heidelberger Druckmaschinen AG gezeigt werden, berühren durch ihre Authentizität.

„Wir wollen den Kindern nicht unsere Ideen aufdrücken, sondern uns auf ihre Sichtweise einlassen“, sagt Hartwig Weber, Dozent der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und Leiter des Projektes „patio 13“, einer Bildungsinitiative für Straßenkinder in Kolumbien. Bilder seien ein gutes Kommunikationsmittel. „Sie geben uns die Möglichkeit, dem Blick der Kinder zu folgen und uns ihre Sicht zu eigen zu machen“. Am Anfang des Projektes stand deshalb eine Fotowerkstatt, deren Ergebnisse nun in Heidelberg zu sehen sind. Mit Einwegkameras haben Straßenkinder aus Medellin, einer Millionenstadt im Zentrum Kolumbiens, sich selbst und ihre Umgebung fotografiert. Die Bilder geben einen offenen, manchmal bedrückenden, oft aber auch überraschend positiven Einblick in den Alltag der Kinder.

„Für Straßenkinder sind Fotografien von sich selbst etwas ganz besonderes“, erläutert Weber, der „patio 13“ als ersten Schritt zu einer neuen pädagogischen Disziplin, einer „Straßenkinderpädagogik“, sieht. Seine Kollegin in Kolumbien, Schwester Sara, die in Copacabana die „Escuela Normal Superior“ leitet, eine Modellschule für die Ausbildung von Lehrern, ergänzt, dass es für künftige Lehrer unerlässlich sei, die „Kultur der Straße“ zu kennen. Ein Ansatz, der bisher in Kolumbien vernachlässigt werde.

„Bildung ist der Schlüssel zur Verwirklichung von Lebensträumen“, sagt Hartwig Weber und ist deshalb von der Wichtigkeit und Wirksamkeit von „patio 13“ überzeugt. Die Fotowerkstatt sei ein positives Signal, dass es möglich ist, das Schicksal in die Hand zu nehmen.

Manche der Lebensträume zeigen die Kinder auf ihren Fotografien. Es sind die kleinen Dinge, die anrühren: ein schüchterner Kuss vor der Kamera, eine schäbige, aber mühevoll-sorgfältig eingerichtete Hütte, die akribische Morgentoilette in der Kloake von Medellin. Der große Wunsch nach Normalität – trotz allem.



Mannheimer Morgen , 21. Januar 2003:

Straßenkinder sehen ihren Alltag durch den Sucher - Foto-Ausstellung in der Heidelberger Print Media Academy stellt pädagogisches Projekt vor

Von Simone Jakob

Heidelberg. Eine kleine Einwegkamera hilft kolumbianischen Straßenkindern von ihrem Alltag zu erzählen, der sich nur schwer in Worten ausdrücken lässt: Die Ausstellung "Auslöser - Straßenkinder fotografieren Straßenkinder", die ab morgen in der Print Media Academy der Heidelberger Druckmaschinen zu sehen ist, nimmt den Betrachter mit in die Slums der Millionenstadt Medellin. Diese fotografische Selbstdarstellung der Kinder und Jugendlichen ist der Ausgangspunkt des Modellprojekts "Patio 13", das die Pädagogische Hochschule Heidelberg (PH) mit Unterstützung der "Heidelberger Druckmaschinen" in Kolumbien entwickelt.

"Patio 13 will verlassenen und verwaisten Kindern durch Bildung die Chance auf ein besseres Leben geben", erklärt PH-Professor Hartwig Weber, der das Forschungsvorhaben betreut. Die Frage, wie sich Schule und Lehrer dem Phänomen Straßenkinder gegenüber verhalten sollen, sei der Ausgangspunkt von "Patio 13" gewesen. Mithilfe engagierter Studenten bauen Weber und seine kolumbianische Kollegin Sor Sara Sierra Jaramillo jetzt Brücken zwischen Lehrern und Straßenkindern: "Schon im nächsten Jahr wird es hier einen Studiengang "Straßenpädagogik" geben, der auch auf andere Länder in Südamerika und Afrika übertragen werden soll.

"Derzeit arbeiten Studenten aus Heidelberg und Medellin zwei Mal pro Woche im Zentrum "Don Bosco" mit den Kindern. Neben Spielen, Basteln und Malen stehen auch Schreiben, Rechnen, Lesen und Sozialkunde auf dem freiwilligen Stundenplan. "Die Arbeit in Medellin war sehr spannend und ich habe jetzt richtig Heimweh nach Kolumbien", erzählt Bettina Ehrlich. Die 22-jährige PH-Studentin hat fünf Monate in der Millionenstadt verbracht und will im August wieder nach Südamerika, um mit den Kindern im Don Bosco-Zentrum eine Druckwerkstatt einzurichten.

Die Ausstellung in Heidelberg bedeutet Studenten und Betreuern sehr viel: "Die Bilder drücken die Kultur der Straßenkinder aus und zeigen, wie sie ihre Stadt sehen", sagt Sor Sara Sierra Jaramillo. "Sie konfrontieren den Betrachter so mit sehr persönlichen Schicksalen", findet Weber. "Denn die Kinder zeigen nur das, was sie wirklich von sich preisgeben möchten."

"Auslöser - Straßenkinder fotografieren Straßenkinder", 22. Januar bis 8. Februar, Print Media Academy, Kurfürsten Anlage 52-60, Heidelberg. Eröffnung mit Dokumentarfilm morgen, 17.30 Uhr. Infos zum Straßenkinder-Projekt "Patio 13" unter: www.patio13.com.



Rhein-Neckar-Zeitung , 21. Januar 2003:

Jede Narbe erzählt vom Kampf ums Überleben – Ausstellung-„Auslöser“ in der Print Media Academy dokumentiert Straßenkinder-Projekt der PH in Kolumbien – Morgen ist Vernissage

Von Ingeborg Salomon

Ihre Haut ist voller Narben, und diese Verwundung erzählt von Schlägen, Messerstichen und Gewehrkugeln; zu jeder Narbe können die Straßenkinder von Kolumbien eine Geschichte erzählen. Auch die Fotos, die zurzeit in der Print Media Academy zu sehen sind, erzählen Geschichte vom Kampf, Gewalt und Elend, aber auch vom Überleben unter lebensbedrohlichen Umständen. „Auslöser“ heißt die Ausstellung des Gemeinschaftsprojekts „Patio 13 – Schule für Straßenkinder“, das die Heidelberger Druckmaschinen AG und die Pädagogischen Hochschule (PH) gestartet haben; morgen um 17:30 Uhr wird es offiziell eröffnet.

Die Bilder, die von den Kindern selbst mit Einwegkameras fotografiert wurden, zeigen eindruckvolle Motive aus dem Alltag, in dem Armut und Not ebenso vorkommen wie Zärtlichkeit und Fröhlichkeit. Für die Kinder ist es eine außergewöhnliche Erfahrung, ihren Alltag durch die Linse einer Kamera verfremdet zu sehen. „Ein Foto drückt aus, was die Kinder auch erzählen können, aber mit der Kamera fällt es ihnen leichter“, weiß der Professor der Theologie und Religionspädagogik Hartwig Weber, der das Straßenkinder-Projekt an der PH initiiert hat. Früher war Weber im Erziehungsministerium Kolumbiens tätig; seit Jahren reist er mit PH-Studierenden nach Bogotá und Cartagena, um in Straßenkinder-Projekten zu arbeiten.

Mit der kolumbianischen „Escuela Normal Maria Auxiliadora“ nahe der Millionenstadt Medellin verbindet die Heidelberger eine lebendige Partnerschaft. Rektorin Sor Sara Sierra, die fünf Jahre in den Elendsvierteln von Medellin gearbeitet hat, ist zur Ausstellungseröffnung nach Heidelberg gekommen; die Straßenkinder liegen ihr sehr am Herzen, haben sie doch sonst keine Lobby.
„Sie Fotos sind ein Blick auf das Innenleben der Kinder“, erzählt Bettina Ehrlich der RNZ. Die PH-Studentin hat fünf Monate in Kolumbien mit den Straßenkindern gearbeitet.

Viele haben ihre Familien verlassen, weil sie dort so exzessive Gewalt erfahren haben, dass ihnen nur die Flucht auf die Straße blieb. Doch nun brauchen diese Kinder eine Chance, sie sollen ihre Lerndefizite überwinden. Doch mit „normaler“ Didaktik ist das nicht möglich.

Bettina hat mit den Straßenkindern in Medellin gemalt, gebastelt und fotografiert, bevor sie mit ihnen in der Schuldruckwerkstatt erste Schritte in Richtung Alphabetisierung erarbeitet hat. Das Projekt „Patio 13“ ist auf vier Jahre angelegt, doch Professor Weber ist sicher, dass es auch danach weitergehen wird. Zurzeit arbeitet er mit Studenten daran, Lernmaterialien für Straßenkinder zu erstellen; ein eigener Studiengang „Straßenpädagogik“ ist geplant.

Die Heidelberger Druckmaschinen unterstützen „Patio 13“ finanziell und beratend. „Das Projekt ist eng mit unserem Standort Heidelberg verbunden, es dient dem interkulturellen Austausch, arbeitet nachhaltig und vermittelt Wissen“ nennt Simone Wessely wichtige Kriterien für das Sponsoring. Und ihre Kollegin Barbara Conradi ergänzt: „Genau wie der PH ist auch uns die Alphabetisierung ein wichtiges Anliegen.“

Die Ausstellung „Auslöser – Straßenkinder fotografieren Straßenkinder“ ist bis 8. Februar montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, samstags von 9 bis 16 Uhr zu sehen. Die Vernissage ist morgen um 17.30 Uhr, anschließend wird um 18.45 Uhr der Dokumentarfilm „Mondstraße, Sonnenstraße“ gezeigt. Informationen unter www.patio13.com.